Eine der umstrittensten Fragen im Rahmen der Halal-Ernährung betrifft die Einstufung von Aromen, die Ethanol als Trägerstoff enthalten. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass Aromen in fast allen verarbeiteten Lebensmitteln zu finden sind und überwiegend mit Ethanol gelöst werden. Die Problematik wird dadurch verkompliziert, dass sich die Gelehrten in der Bewertung von Endprodukten, die Ethanol enthalten, nicht einig sind.
Verwendung und Herstellung von Aromen
Aromen werden bestimmten Produkten als Zusatzstoffe beigegeben, wenn das Eigenaroma (Geschmack oder Duft) nicht ausreicht oder nicht die gewünschten Eigenschaften aufweist. Inzwischen gibt es mehrere Tausend unterschiedliche chemisch erzeugte Aromen. Sie liegen i. d. R. in konzentrierter Form vor und müssen zur Weiterverarbeitung stark verdünnt werden. Als Lösungsmittel werden Ethanol, Wasser, Stärke oder auch Milchzucker (Laktose) verwendet werden, wobei das kostengünstige und leicht verfügbare Ethanol am häufigsten zum Einsatz kommt.
Problematisch hierbei ist, dass die Verwendung von Ethanol als Lösungsmittel nicht kennzeichnungspflichtig ist, solange der Alkoholgehalt im Endprodukt unterhalb der zulässigen Grenze von 1,2% liegt. Das Lösungsmittel Milchzucker (Laktose) muss dagegen aufgrund seiner Bedeutung als Allergen auf der Verpackung deklariert werden.
Einstufung von Alkohol im Aroma
Die Frage, ob mit Ethanol gelöste Aromastoffe als halal eingestuft werden können, wird von den Gelehrten kontrovers diskutiert. Im Folgenden werden die diesbezüglichen Einzelmeinungen einiger islamischer Gelehrter sowie die Positionen islamischer Organisationen wiedergegeben.
Vertreter der Position | Einstufung | Begründung |
Diyanet Amt für religiöse Angelegenheiten in der Türkei | unbedenklich | Früchte können von Natur aus einen Alkoholgehalt von 0,001-0,005% aufweisen. Auch Brot und andere Lebensmittel, die einer Fermentierung unterliegen, kann am Ende der Herstellung einen minimalen Alkoholgehalt haben. Bei zahlreichen Lebensmitteln werden während der Produktion Aromen benutzt, sodass sich im Endprodukt ein minimaler Wert an Ethanol, Keton, Ester u. Ä. bilden kann. Dabei kann dieser auf natürliche Weise oder durch die Zugabe der Aromen zustandekommen. In diesen Fällen ist der Konsum des Produktes nicht haram, denn bei diesem vorhandenen Alkohol handelt es sich nicht um Hamr. Ansonsten müsste auch der Konsum von Früchten und anderen Lebensmitteln untersagt werden, da diese auch Alkohol enthalten. |
IGMG Islamische Gemeinschaft Milli Görüs | unbedenklich | Der Einsatz von Alkohol, der aus Halal-Quellen gewonnen wurde, in Rohstoffen als Zwischenprodukt erlaubt ist, jedoch im finalen Produkt nicht mehr nachweisbar sein darf. Dies ist meistens der Fall, wenn in der Produktion durch Hitzeeinwirkung der Alkohol im Rohstoff verfliegt. |
Prof. Dr. Amir Zaidan Geschäftsführer und islamologischer Leiter von Halal Quality Control Austria | unbedenklich | Ethanol an sich, als natürliche Substanz, kann nicht rituell unrein (nadschîs) sein, denn für die Unreinheit von Ethanol gibt es keinerlei Belege. Somit ist es erlaubt und damit als rituell rein einzustufen. |
Prof. Dr. Wahba az-Zuhaylî Gelehrter des islamischen Rechts und der islamischen Jurisprudenz an der Universität zu Damaskus | unbedenklich | Es ist erlaubt in geringen Mengen Alkohol zu benutzen, wenn dies unerlässlich ist. Der Alkohol als Lösungsmittel wird demnach als notwendig angesehen |
Muhammad Abû Zahra Gelehrter des islamischen Rechts an der Al-Azhar Universität in Ägypten | unbedenklich | Das Trinken von Alkohol (Ethanol) ist zweifelsfrei haram, jedoch ist es erlaubt, diesen zum Lösen von Aromen zu verwenden, denn Alkohol wird nicht als unrein (nadschîs) angesehen |
Madschma al-Fikh al-Islâmi Internationale islamische Akademie für islamisches Recht, IFA; 1981 von verscheidenen islamsichen Ländern gegeründet, Sitz in Dschidda | unbedenklich | Die Unreinheit der berauschenden Stoffe ist nicht materiell, sondern spirituell, so ist die Benutzung für medizinische Zwecke gestattet. Wenn eine andere Alternative nicht leicht zu finden ist, ist der Alkohol zum Lösen der Aromen erlaubt. |
Prof. Dr. Cevat Akşit Professor für islamisches Recht in der Türkei | unbedenklich | Nach der hanaftischen Rechtsschule ist Alkohol nicht unrein (nadschîs). Auch Früchte und Essig enthalten Alkohol und sind als solche erlaubt. |
Prof. Dr. Hayrettin Karaman Ehem. Professor für islamisches Recht in der Türkei | unbedenklich | Wenn die verzehrbare große Menge nicht berauscht, so ist die kleinere Menge auch halal. Getränke werden in großen Behältern hergestellt. Wenn man den zugefügten Alkohol nicht riechen, schmecken oder an der Farbe erkennen kann, so gilt das Getränk als rein/halal (Prinzip des Istihlâk). |
Prof. Dr. Ahmet Akgündüz Ehem. Rektor der islamischen Universität in Rotterdam | bedenklich | Wo es Halal-Lebensmittel gibt, sind alkoholhaltige Produkte verboten, auch wenn sie keine berauschende Wirkung haben. Falls es keine gibt, muss man die nicht berauschenden Produkte vorziehen und nur so viel davon konsumieren, wie es nötig ist. |
Prof. Dr. Mustafa Nutku Chemie-Professor in der Türkei | bedenklich | Nutku meint, dass keine Istihâla stattfinden kann, denn wenn eine Zustandsänderung beim Ethanol eintrifft, so müsste dies auch zwangsläufig mit dem abhängigen Aroma passieren. Dadurch würde es aber die gewünschten Eigenschaften verlieren, weshalb die Istihâla ausgeschlossen ist |
Univ.-Prof. Dr. Ebubekir Sifil Professor an der islamischen Fakultät in Yalova in der Türkei | bedenklich | Sifil argumentiert gegen den Vergleich mit Istihlâk, denn dieses Prinzip sei nur für das Wasser für die rituelle Waschung gültig und somit für den Alkohol im Aroma irrelevant |
Nureddin Yildiz Gelehrter aus der Türkei | bedenklich | Die Menge des Alkohols spielt keine Rolle, das Verzehren des Produktes ist nicht erlaubt. Nur der minimale Alkoholgehalt, der sich auf natürliche Weise bildet, kann zugelassen werden. Das Fernhalten von bedenklichen Stoffen wird von unserem Propheten Muhammad (sallallahu aleyhi wa sallam) appeliert |
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